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„In der Dämmerung fallen ihre Masken“ – Von Wahn, Vision & Identität

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Im Oktober 2014 führten die „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) in Köln einen Aufmarsch durch, bei dem es gelang einen bisher nicht gekannten Schulterschluss zwischen Rechtspopulist_innen, Straßenschläger_innen, und offen neonazistischen Parteien und Personen durchzuführen. Nach gewalttätigen Ausschreitungen in Köln führten HoGeSa nur noch eine stationäre Kundgebung unter starken Gegenprotesten in Hannover durch und scheinen aktuell in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.
Auch im Oktober fand sich in Dresden eine Bewegung zusammen, die die gleichen inhaltlichen Standpunkte vertritt, allerdings mit einem bürgerlichen Image. Unter dem Namen „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA) wurde der Protest gegen eine angebliche Islamisierung und gegen angebliche Wirtschaftsflüchtlinge in vermeintlich friedlichere Bahnen gelenkt.
Die Pegida Bewegung expandierte schnell deutschlandweit und führt aktuell in verschiedenen Städten jeden Montag Demonstrationen mit immer den gleichen rassistischen Forderungen durch. Braunschweig bildet hierbei leider keine Ausnahme mehr, auch zur Freude der ortsansässigen Neonaziszene. So begrüßt die Partei „Die Rechte Braunschweiger Land“ die Proteste und mobilisiert zu der Veranstaltung am 19. Januar 2015.
Die Mehrheit der Teilnehmer_innen dieser Aufmärsche biologisieren den Rassismus allerdings im Gegensatz zu den Nazis nicht. Der Rassismus der „patriotischen Europäer“ funktioniert auch ohne eine biologistische Konstruktion von Rasse. Die Herstellung eines Eigen- und Fremdkollektivs läuft hier über das Ticket Kultur. Kultur meint für Pegida-Rassist_innen, ein abgeschlossenes ungebrochenes System, das historisch gewachsen und das mit anderen Kultursystemen nicht kompatibel ist, weil diese gesellschaftlich homogen sein müssen. Die Menschen stellen hier Träger_innen der Kultur dar und sind nicht, wie im biologischen Rassismus, mit ihr verwachsen.
Mit dieser Auffassung stehen sie den Islamisten – die sie vorgeben zu bekämpfen – näher als sie denken. Ihr auserkorenes Feindbild – der Islam – stellt den fremden Kulturkreis dar, der mit der angeblichen westlichen eigenen Kultur nicht kompatibel sei, ihr sogar diametral entgegenstehe. Diesem islamischen Kulturkreis zugerechnet werden auf der einen Seite islamistische Bewegungen wie die Salafisten sowie auf der anderen Seite jede Moschee und jede arabisch klingende Shishabar. Zwangsverschleierung oder Unterdrückung der Frau und der Aufbau einer autoritären Gesellschaftsform – Ziele von islamistischen Bewegungen – werden zur Eigenschaft aller Muslime gemacht, egal wie aufgeklärt deren Weltbild ist. Frauen, die gegen die Unterdrückung durch die islamistische Ideologie (die oft auch von Frauen durchgesetzt wird) kämpfen, hilft es allerdings wenig wenn diese Unterdrückung zur Eigenschaft ihrer Kultur gemacht und nicht als das kritisiert wird, was sie ist: patriarchale Ideologie, Gewalt und Zwang.
Hier liegt genau die Überschneidung von Islamisten und Pegida-Teilnehmer_innen, durch die deutlich wird wie ambivalent und inkonsistent Kultur sein kann: Sie sind sich mit den Islamisten einig darüber, dass der Islam nur Unterdrückung und Sharia bedeuten kann. Eine These, der die meisten Muslime sicherlich widersprechen würden.
Pegida ist die Reaktion auf ein Deutschland, das immer mehr als ausländerfreundlich und kulturinteressiert in Erscheinung tritt. Während sich ein Großteil der Bevölkerung auf „Festen der Kulturen“ herumtreibt, entsteht dort auch kein anderes Verständnis von Kultur als bei Rechtspopulisten, es findet nur eine andere Form der Bewertung statt. Die fremde Kultur wird als exotisches Anderes konstruiert.
Salafisten, die in deutschen Innenstädten den Koran verteilen, um Mitglieder zu rekrutieren, werden in dieser Denkweise im schlimmsten Fall als kulturelle Eigenheit des islamischen Kulturkreis verklärt und nicht als das kritisiert, was sie sind: reaktionäre und gefährliche Arschlöcher.Ohnmächtig stehen sowohl Pegida als auch Islamisten der Realität gegenüber und kennen nur einen Ausweg – die erzwungene Homogenisierung der Gesellschaft.
In dieser gesellschaftlichen Totalität sind Pegida und Islamisten letztendlich zwei Seiten einer Medaille. Sie sind Reaktionen auf die kapitalistische Vergesellschaftung und lehnen damit auch ihr positives Potenzial ab.
Pegida ist auf der einen Seite die irrationale Verarbeitung der eigenen Ohnmacht gegenüber den Verhältnissen, in Form der Projektion des Unbehagens in die Figur des muslimischen Fremden. Die rechtsstaatlich kaum mehr vorhandene Asylgesetzgebung, die dank Frontex stetig wachsenden Leichenberge an den europäischen Außengrenzen und die insbesondere seit Anfang 2014 rasant steigende Zahl an rassistisch motivierten Anschlägen und Übergriffen reichen ihnen in ihrem Hass gegen die vermeintlich Anderen nicht aus.
In ihrem menschenverachtenden Wahn werden Flüchtlinge zum Sündenbock und zum Grund der Leidensgeschichte des Einzelnen in der kapitalistischen Gesellschaft.
Der Islamismus ist auf der anderen Seite die negative Aufhebung des Widerspruches zwischen bürgerlichem Glücksversprechen und der gesellschaftlichen Realität, hilfloses Objekt der Verhältnisse zu sein.
Seine Motivation ist dabei nicht allein über Interessen ökonomischer und/oder politischer Natur erklärbar. Es ist kein machtpolitischer Anspruch einer Weltreligion oder gar das Aufbegehren der abgehängten Trikont-Massen. Der rationale Gewinn für die Islamisten ist die negative Aufhebung der kapitalistischen Widersprüche durch die Vernichtung des Ungleichen. Der Wunsch der Islamisten ist es, die Welt zu einer noch größeren Hölle zu machen, in der noch nicht mal der Gedanke an ein halbwegs gerechtes, lebenswertes Leben denkbar ist.

Dies heißt aber nicht, bei den gegenwärtigen Verhältnissen stehen zu bleiben.
Eine emanzipatorische Kritik, die auf Pegida und Islamismus zielt, muss immer auch die bürgerliche Gesellschaft im Fokus haben. Diese beiden reaktionären Ideologien sind eben keine simplen Weltanschauungen, die aus dem Nichts heraus entstehen, sondern stellen Reaktionen der unbewussten, psychischen Verarbeitungen der herrschenden Verhältnisse dar.
Und weil Ideologien eben keine platten Weltanschauungen sind, ist es wichtig, nicht nur Ideologiekritik, sondern auch Aufklärung gegen die gesellschaftlichen Zustände – die beides zu verantworten haben – zu betreiben.
Das Fazit einer dialektischen Betrachtung der Aufklärung meint letztendlich nicht, allein den Status quo gegen noch Schlimmeres zu verteidigen sondern aufzuzeigen, dass dieser Status quo ursächlich für das ist, was gleichzeitig im schlimmsten Fall zu seiner negativen Aufhebung tendiert.
Es ist Aufklärung über den positiven Gehalt von Freiheit und Gleichheit als negatives Bild ihrer gegenwärtigen kapitalistischen Form. Es ist der Kampf für Verhältnisse, die keine Unterdrückung produzieren, die entweder nach ihrer Aufhebung in der Vernichtung des Anderen endet oder die die Figur des Fremden erschaffen muss, um darin den Hass auf das was ist zu projizieren.
Der Kampf gegen Pegida und Islamismus ist demnach der Gleiche. Er muss beide als Feinde der befreiten Gesellschaft benennen und angreifen. In diesem Sinne:

Gegen Islamismus, Rassimus und Kapitalismus! Für die befreite Gesellschaft, für den Kommunismus!


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